Autopsien des Alltäglichen
Donnerstag, 29. Mai 2014
Bald vielleicht mit Aufenthaltsgenehmigung
Das Besuchsvisum strebt dem Ende seiner Gültigkeit entgegen, doch immer noch bin ich im Lande des Propheten. Inzwischen haben sich die Temperaturen frühsommerlich eingestellt, morgens um kurz vor acht erreichen sie schon mal 36 Grad auf dem kurzen Weg zum Büro, aber normalerweise herrschen eher kühle 32 Grad vor. In den Nachmittagsstunden werden dann 41 oder 42 Grad erreicht, ideales Wetter also für verfrorene Gestalten.

Nun also noch eine Woche, dann die Rückkehr nach Deutschland, da ich das "andere" Visum dort beantragen muss. Die Vorarbeiten dafür sind schon großteils erledigt, ein Arztbesuch zum Gesundheitscheck steht noch an, aber dann sollte sich der Visumserwerb höchstens noch zwei Wochen hinziehen. Nun ja.

Unterhaltungsmäßig hat sich hier nichts verändert, es gibt nur das Fernsehprogramm, angefüllt mit entweder stark geschnittenen Liebesfilmen oder mit unzensierten Gewaltfilmen. Ich jedenfalls wundere mich nicht mehr, wenn wieder irgendwo jemand seinen Anspruch auf 72 Jungfrauen durchsetzen möchte, die Fernsehbildung bereitet indirekt darauf vor.

Was mir fehlen wird? Möglicherweise die Notwendigkeit, alle 30 Tage nach Bahrain auszureisen, um das Visum zu erneuern. Dies geschieht automatisch bei der Wiedereinreise nach Saudi-Arabien. Mit der neuen Aufenthaltsgenehmigung ist das nicht mehr notwendig. Ich denke aber, ich werde trotzdem den Brauch beibehalten, alleine schon aus dem Grund, mal wieder "Normalität", oder zumindest ein wenig mehr westlichen Lebensstil, zu sehen.

Was sich hier ändert? Nicht viel. Immer noch ist das ein sehr patriarchalisches Land, aber inzwischen sieht man doch Aufweichungen. So sitzen zeitweise im kleinen Supermarkt hier um die Ecke, aber auch bei Carrefour in Dammam, tief verschleierte Frauen an den Kassen. Auch hier hält die Not, den Ehemann finanziell zu unterstützen, Einzug, nicht jeder profitiert von den Öldollars. Trotzdem bleibt Autofahren für die Damenwelt tabu, ebenso sind alle Restaurants noch immer nach Männern und "Familien" getrennt. Doch auch bei den Restaurants, speziell in den Malls, geht es inzwischen gelockerter zu.



Man kann es schlecht erkennen, aber das schwarz-weiße Schild an der Decke schreibt "not for families" vor, da dies hier der Singlemannbereich ist. Trotzdem haben sich Familien hier Platz gesucht, hinter mir saßen drei Frauen an einem Tisch. Und es kam kein Sittenwächter. Aufbruch in eine gelockerte Zukunft? Vielleicht.

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